Unser tägliches Brot gib uns heute …
Es soll doch tatsächlich Menschen geben, die betreten am späten Abend einen Bäckerladen - und wenn dann ihr Lieblingsbrötchen ausverkauft ist, haben sie nichts Besseres zu tun, als sich lauthals zu beklagen, die Verkäuferin zu beschimpfen und damit zu drohen, künftig bei der Konkurrenz einzukaufen.
Wer sich so benimmt, der hat nichts begriffen. Er bedenkt nicht, dass die Überfülle in unseren Bäckerläden alles andere als selbstverständlich ist. Es ist ihm egal, was mit der großen Menge an Ware geschieht, die zum Ladenschluss nicht verkauft werden konnte. Und es kümmert ihn auch wenig, wie lange die Verkäuferin an diesem Tag schon auf den Beinen war und dass ihre Familie zu Hause auf sie wartet.
Nun, wir leben in einer Zeit, in der das „tägliche Brot“ zur Massenware geworden und damit in den Augen vieler entwertet ist. In unserem Land haben die Menschen keinen Hunger mehr; sie haben höchstens Appetit. Und deshalb hat sich ein überzogenes Anspruchsdenken breit gemacht, dass die Verfügbarkeit aller Produkte immer und zu jeder Zeit fordert.
Dabei vergessen wir, dass unser großer Wohlstand alles andere als selbstverständlich ist. Und wir vergessen die Dankbarkeit - die Dankbarkeit gegenüber den fleißigen Menschen, die (zum Beispiel im Bäckerhandwerk) mit Ihrer Hände Arbeit diesen Wohlstand schaffen. Und die Dankbarkeit gegenüber Gott, der als Schöpfer aller guten Gaben und Bewahrer der Menschen hinter dem allen steht und so jeden Wohlstand erst möglich macht. In anderen Regionen der Erde ist das natürlich anders. Da müssen die Menschen um das tägliche Brot kämpfen. Und sie hören und sprechen natürlich viel bewusster die Bitte des Vaterunsers „Unser tägliches Brot gib uns heute.“
An all diese Zusammenhänge wollen wir erinnern, wenn wir am Sonntag, dem 7. Juni, um 9:00 Uhr in der St.-Annen-Kirche zu Annaberg-Buchholz das 500. Jubiläum des dortigen Bäckeraltars feiern. Er ist der einzige erhaltene mittelalterliche Flügelaltar, der von einer Bäckerinnung gestiftet wurde. Aufgrund dieses Anlasses bieten zahlreiche Betriebe der Bäckerinnung Annaberg-Zschopau in ihren Verkaufsstellen ein spezielles „Annaberger Altarbrot“ an. Die Zutaten dieses Brotes entsprechenden den vermuteten Rezepten, die vor 500 Jahren üblich waren; und von jedem verkauften Brot wird ein Betrag von 5 Cent als Spende an die Annaberger Diakonie abgeführt.
Möge uns dieses Jubiläum und die damit verbundene Aktion wieder mehr bewusst machen, wie dankbar wir für unser täg-liches Brot sein können. Eine Dankbarkeit, die wir auch ausdrücken sollten - gegenüber Gott und gegenüber denen, die uns das tägliche Brot bereiten.
Mit einem herzlichen Glückauf grüßt, Superintendent Dr. Olaf Richter, Annaberg-Buchholz