Unverständliche Worte – verständliche Taten
Zu Pfingsten redet die Kirche besonders unverständliches Zeug. „Ausgießung des Heiligen Geistes“ nennt sie das, was zu Pfingsten gefeiert wird – wer versteht denn das? Wie kann denn „Geist“ „ausgegossen“ werden?
Wer verstehen will, was in der Kirche geredet wird, muss sich alte Geschichten anhören. Die von der „Ausgießung des Geistes“ spielt vor zweitausend Jahren in Jerusalem. Ein paar Leute aus der Provinz halten in der multikulturellen Hauptstadt öffentliche Reden. Und zwar in allen möglichen Sprachen: libysch, syrisch, kretisch (kurdisch, türkisch, russisch) – alle Fremden hören die Provinzler in ihrer eigenen Sprache reden. Nicht alle Anwesenden sind davon beeindruckt: „Die sind nur bedüdelt!“, winken etliche ab, „das bedeutet gar nichts!“
Normalerweise verstehen fremde Menschen sich gegenseitig nicht. Das ist so seit dem Turmbau von Babel: babylonisches Sprachengewirr. Wohin soll das führen, wenn Fremde sich plötzlich verstehen? Das ist bedüdelt, das ist Gefasel. Es soll jeder dort bleiben, wo er herkommt. Dann verstehen sich alle.
Dummerweise stimmt das nicht. Es ist komplizierter. Klar: Menschen verstehen sich schlecht, wenn sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Menschen verstehen sich aber vor allem dann nicht, wenn sie unverstandene Interessen haben. Das geht so schnell. Neulich im Stadtbus erntete jemand einen bissigen Kommentar. Er hatte einen Ausweis hochgehalten, mit dem er kostenlos mitfahren durfte. „So einen Ausweis möchte ich auch mal haben!“, sagte dazu jemand anderes grimmig. Die Worte hat der, der eingestiegen war, vielleicht gar nicht verstanden. Aber den Ton, das Abweisende. Eine beherzte Frau mischte sich ein: „Ich glaube kaum, dass Sie mit diesem jungen Mann tauschen wollen!“ Und es war klar, was sie meinte: Flüchtling sein. Unsichere Zukunft haben. Nicht wissen, wie es zu Hause weitergeht. Wie lange es dauert und was jetzt zu tun ist. Der die bissige Bemerkung gemacht hatte, wurde dadurch nicht freundlicher. Verstanden hat er sich vermutlich auch nicht gefühlt. Sondern vielleicht aufgefordert, ein schlechtes Gewissen zu haben. Sowas macht grimmig. Was führt denn nun aber dazu, dass Menschen sich verstehen?
In der Pfingstgeschichte von vor zweitausend Jahren werden Leute verstanden, die „von den großen Taten Gottes reden“. Was hat denn Gott Großes getan? Er hat geholfen. Es darf nicht nur geredet, es muss etwas getan werden. Das verstehen alle.
In der Pfingstpredigt am Sonntag wird es heißen: „Jesus antwortete und sprach: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“ Wohnraum sein – wäre das was?
Jörg Herrmann
Pastor
Friedenskirche Crottendorf
Evangelisch-methodistische Kirche