Vertrauen gegen den Augenschein
Wenn man Ängste und Sorgen hat, ein ziemliches Erschrecken da ist, dann ist es gut, man hat jemand, mit dem man darüber reden kann. Einer ist da, der meine Sorgen nicht „wegbügelt“ oder meint: „So darfst du nicht denken!“. Es ist gut, wenn derjenige zuhört, und vielleicht die Richtung zeigt, wie ich von Sorgen und Ängsten wegkomme.
Dabei ist es unerheblich, ob es Ängste und Sorgen sind, die sich auf meine ganz persönliche Situation bzw. mein Umfeld beziehen, oder auf die täglichen Katastrophennachrichten, die uns beunruhigen und irgendwie näherzukommen scheinen.
Viele Christen lesen heute in der Bibel – Johannesevangelium – dass Jesus zu seinen Freunden sagt: „Seid nicht bestürzt und habt keine Angst.“ Sie waren nämlich gerade ziemlich aufgelöst. Jesus hatte seinen gewaltsamen Tod angedeutet, und - damit verbunden - einige unvorstellbare Ereignisse: Die Freunde werden fliehen, und Petrus – der praktisch ihr Wortführer war – wird leugnen, Jesus überhaupt gekannt zu haben. Irgendwie schien ihre Welt zusammenzubrechen.
Doch Jesus lädt sie ein, gerade in dieser schwierigen Zeit auf Vertrauen zu setzen: „Vertraut Gott und vertraut mir“. Das Ganze, was jetzt unklar ist, hat einen tiefen Sinn. Manchmal ist dieses Vertrauen auch gegen den Augenschein einfach notwendig.
Doch einer seiner Freunde – Thomas – ist mit dieser Antwort Jesu noch nicht zufrieden. Er sieht immer noch kein Land in seinem inneren Chaos. Er spricht es auch aus: „Ich sehe nicht den Weg, den ich jetzt gehen soll.“ Keine Ahnung, keinen blassen Schimmer.
Daraufhin gibt ihnen Jesus eine Antwort, die mir persönlich sehr wertvoll ist – nicht nur, weil es mein Taufspruch ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Ohne mich kann niemand zum Vater kommen.“
Damit gibt Jesus eine klare Orientierung mitten im Chaos. Daran können sich seine Freunde halten. Sie haben tatsächlich erlebt, dass nach dem scheinbaren Ende mit Jesu Kreuzestod ein neuer Anfang mit dem Wunder der Auferstehung kam. Deshalb feiern wir Ostern. Die Jünger spürten: Es lohnt sich, Jesus zu vertrauen, auch in schwierigen Wegabschnitten.
Das Schöne: Diese Sätze gelten heute noch genauso. Wir müssen es nur ausprobieren, d.h. es wagen, diesem Jesus zu vertrauen, uns ihm anzuvertrauen, mit unserer inneren Unruhe, unseren Fragen, Zweifeln und Ängsten. Jesus hat deutlich gemacht: Wir müssen nicht wirklich Angst haben, wenn wir uns ihm anvertrauen. Und er hat nicht nur gesagt: Ich zeige euch einen Weg. Er hat gesagt: Ich bin der Weg; ja noch mehr: die Wahrheit und das Leben. Das gilt auch in den angstmachenden Ereignissen unserer Tage: Vertrauen wir Gott, der uns in Jesus Christus nahegekommen ist, der unsere Lasten mitträgt, der Weg und Ziel für uns sein will.
Pfarrer Martin Seltmann, Ev.-Luth. Kirchgemeinde Königswalde