Kirmes
Ein Bekannter erzählte mir: In seiner bewegten Jugend in Thüringen war er zur Kirmes fleißig in den Dörfern unterwegs. Da war viel los, besonders was das feucht-fröhliche Feiern anging.
Erst als er sich im Erwachsenenalter zum christlichen Glauben bekehrte, erfuhr er, dass „Kirmes“ die volkstümliche Bezeichnung von „Kirchweih“ ist, also ein Kirchenfest, Gedenktag der Kirchweihe. Zumeist in den Dörfern mit alten Kirchen war Kirchweih (Kirmes) auch als Dorffest lebendig. Da wurde natürlich der „Kirmeskuchen“ und andere Leckereien gebacken. Man empfängt Kirmesgäste aus den Nachbardörfern. Mitunter gibt es einen Festplatz mit Karussell und Losbude, oder den „Kirmestanz“. Und natürlich: Es gibt Festgottesdienste in den Kirchen. Oft auch noch einen Gottesdienst am „Kirchweihmontag“, der zumeist ein dörflicher Feiertag war.
Die Kirmesfeiern sind z.T. stark zurückgegangen, an manchen Orten werden sie wiederbelebt. Der tiefe Sinn von Kirchweih bleibt hoffentlich erhalten: Wir danken Gott, dass wir eine Kirche im Dorf haben! Wir danken Gott, dass wir ein Gebäude haben, welches ausschließlich zu seiner Ehre gebaut wurde und genutzt wird. Darin wird Gott gedankt, es wird um Bewahrung und Hilfe gebeten. Wir klagen ihm unser Leid und unsere Schuld. Wir erfahren Entlastung, Vergebung und Trost. Wir hören Gottes Wort und damit wichtige Orientierung für unser Leben.
In diesem Gebäude werden Kinder und Erwachsene getauft, der Ehebund gesegnet, da nehmen wir Abschied von unseren Verstorbenen und feiern das Heilige Abendmahl. Es ist gut, dass wir die Kirche in Dorf und Stadt haben und die Glocken zu Gottesdienst und Gebet einladen. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass Gott nicht an besondere Gebäude gebunden ist. Er kann uns überall begegnen. Der besondere Ort und die Versammlung zum Gottesdienst ist aber etwas, was uns hilft, unser Leben nach Gottes Willen zu bewältigen.
In manchen Orten fällt in diesem Jahr der Kirchweihmontag mit dem Reformationstag zusammen. Das erinnert uns daran: Kirche darf niemals in alten Formen erstarren oder beim Denkmalschutz stehen bleiben. Kirche muss sich immer wieder erneuern, damit die Menschen die christliche Botschaft verstehen und annehmen können. Sie darf sich dabei nicht dem „Zeitgeist“ anbiedern, aber sie muss die „alte“ Bibel den Menschen unserer Zeit verständlich auslegen.
Bei uns in Königswalde verbindet sich an diesem Wochenende auch Kirchweih mit Reformationsgedenken. Dabei organisiert die Junge Gemeinde eine Reihe von Veranstaltungen für die ganze Gemeinde. Es geht dabei um die alte unverfälschte Botschaft der Bibel. Aber sie wird mit modernen Mitteln (Musik, Bild, Technik, Sprache unserer Zeit) unter die Leute gebracht. Das Zusammenfallen mit den Kirchenfesten macht auf schöne Weise deutlich: Kirche muss sich immer wieder reformieren, um die Lebenswelt der Menschen zu erreichen. Nicht, um sich selbst zu erhalten, sondern weil Gottes Wort überlebenswichtig ist, gerade auch in unserer Zeit.
Pfarrer Martin Seltmann, Königswalde