EINSICHTEN ANGESICHTS DES TODES
„Muss das wirklich sein?“ So werden an diesem Wochenende manche denken, denen der Weg an ein Grab von Familienangehörigen oder Freunden bevorsteht. Nun führt uns die Tradition in unserem Land an die Gräber, aber eigentlich wollen wir ja von Tod und Sterben nichts hören. Sie erinnern uns an Endlichkeit und Begrenztheit unseres Lebens. Das ist nicht angenehm. Da nun aber der Friedhofsbesuch unausweichlich ist, kommen doch so einige Gedanken auf, woran die Verstorbenen uns erinnern. Vielleicht waren das schöne Erlebnisse, möglicherweise aber auch Diskussionen und Streit, die durch den Tod abrupt beendet wurden. Vielleicht blieben Fragen offen, die keine Antwort fanden. An den Gräbern tauchen sie wieder auf. Auch die Frage: „Was würden wir heute anders machen?“ drängt sich auf.
Was lehrt uns der Tod angesichts der Gräber und angesichts dessen, dass jedes Leben ein Ende haben wird?
Schon im Alten Testament beklagte der Prophet Jesaja, dass sich in Erwartung eines bevorstehenden Krieges und absehbarer Verwüstung die fatale Ansicht breit machte: „Lasst und Essen und Trinken, denn morgen sind wir tot.“ (Jes. 22,13). Der Schriftsteller Günther Kunert dichtete nach dem Zweiten Weltkrieg: „Als der Mensch unter den Trümmern seines bombardierten Hauses hervorgezogen wurde, schüttelte er sich und sagte: Nie wieder. Jedenfalls nicht gleich.“ Kuhnerts Skepsis gegenüber der Lernfähigkeit von uns Menschen bringt auf den Punkt, was viele unserer Zeitgenossen heute ebenso bemerken: Angesichts des oft weiten Zurückliegens vieler gravierender Ereignisse im politischen wie im persönlichen Leben wird schnell vergessen, was einmal zum Nachdenken angeregt hat und an guten Vorsätzen aufgestellt wurde. Die Erfahrung zeigt: Die einst gezogene Lehre hält nicht sonderlich lang an. Und doch kommt der Zeitpunkt, da alles endgültig wird und nichts mehr zu ändern ist.
Der Beter in Psalm 90, 12 hat wohl bereits in antiker Zeit ähnliche Erfahrungen gemacht, wenn er formuliert: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Er gelangt zur Erkenntnis: Allein schaffen wir es nur schwer, die richtigen Lehren zu ziehen. Im Gebet bekennt er sein Unvermögen und bittet Gott um Hilfe, die rechten Einsichten zu bekommen. Möge uns der Gang an die Gräber ebenso zum Innehalten und zur Klugheit verhelfen.
Diakon Klaus Mehlhorn ist als Bezirksgemeindereferent im
Ev.-Luth. Kirchenbezirk Annaberg tätig.