DIE FREIHEIT NEHME ICH MIR
„Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Diesen Satz hat mir jemand vor vielen Jahren einmal augenzwinkernd weitergesagt. Er hat sich mir inzwischen tief eingeprägt. Vermutlich ist er ironisch gemeint, zugespitzt, nachdenklich machend, aufrüttelnd. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass - von einzelnen Ausnahmen abgesehen, die es ja immer gibt - jemand ernsthaft so ein Motto sich zu eigen macht. Ein Blick in die Medien unserer Tage belehrt mich eines Besseren.
Die Adventszeit ist in kirchlicher Tradition eine Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, auf die Ankunft von Jesus Christus in diese Welt. Menschen sollen ihr Leben betrachten, nachdenken, was schief läuft und sich ausrichten nach den Maßstäben, die Jesus Christus gesetzt hat.
Am 3. Advent wird an Johannes den Täufer erinnert, der im Neuen Testament als Wegbereiter für Jesus benannt wird. Er war einer, der die Worte des Propheten Jesaja in seinem Leben beherzigt hat: „Bahnt für den HERRN einen Weg durch die Wüste, baut eine Straße für unseren Gott!“ (Jesaja 40,3)
Johannes hat die Menschen seiner Tage mit drastischen Worten zur Änderung ihres Lebens aufgerufen. „Ihr Schlangenbrut, wenn ihr so weiterlebt, werdet ihr Gottes Zorn nicht entrinnen!“ donnerte er und erinnerte: Zu Gott gehören allein reicht nicht. Das Tun für die Belange der Mitmenschen muss hinzukommen. Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Im Klartext heißt das ja: Nicht das soll mein Leben bestimmen, was mir am meisten bringt, sondern, was dem Anderen hilft, mit seinem Leben besser klarzukommen, was ihn schützt und ihm nützt. Letztlich ist dies die Grundvoraussetzung, dass ein soziales Miteinander in einer Gesellschaft funktionieren kann.
Heute diskutieren wir in unserem Land, welche Freiheiten wir für uns beanspruchen können und was uns zuzumuten ist. Ähnliche Fragen hatte der Apostel Paulus zu beantworten. In der Gemeinde von Korinth gab es Leute, die auf ihre Freiheit als gläubige Christen pochten. Paulus‘ Antwort scheint mir das bessere Motto als das eingangs zitierte: „Ihr sagt: ‚Alles ist erlaubt!‘ Mag sein, aber nicht alles ist deshalb gut. Alles ist erlaubt, aber nicht alles fördert die Gemeinschaft. Ihr sollt nicht an euch selbst denken, sondern an die anderen. … Macht es wie ich: Ich nehme Rücksicht auf alle. Ich suche nicht den eigenen Vorteil, sondern den Vorteil aller anderen.“ (1.Kor 10)
Diakon Klaus Mehlhorn ist als Bezirkskatechet im Ev.-Luth. Kirchenbezirk Annaberg tätig.