Vorsicht! Urteil!
Tief schockiert höre ich von dem, was vergangenes Wochenende bei uns geschehen ist. Ein Messer-Angriff auf eine 15jährige? Unvorstellbar … Das kann doch nicht wahr sein! Und sofort beginnt es in meinem Kopf zu kreiseln. Wer war das? Wie ist es dazu gekommen? Was ist da gelaufen? Wie kann man so etwas tun? Hätte man das verhindern können? Ich stehe fassungslos da und möchte doch etwas zu fassen bekommen. Ich will das Unvorstellbare irgendwie sortiert bekommen. Ich möchte zumindest ein paar Antworten haben … für mich. (Na und manchmal auch welche, die ich wiederum weitererzähle … Leider.) Irgendwie menschlich. Ich neige dazu, mir ein Urteil zu bilden – aus den Informationsbrocken, die ich habe. Und manchmal neige ich dazu, meine Meinung dann auch weiterzutragen.
Seinen Freunden in Korinth gibt Paulus einen wertvollen Hinweis. Er schreibt: „Urteilt niemals voreilig! Wenn Christus kommt, wird er alles ans Licht bringen, was jetzt noch verborgen ist, auch unsere geheimsten Wünsche und Gedanken.“ (1 Kor 4,5) Zwei Punkte nehme ich mir vor:
1. Ich möchte vorsichtig sein mit meiner Wertung. So schnell bin ich dabei, ein Urteil zu fällen. Ich kenne vielleicht manche (vage) Fakten. Aber ins Herz kann ich keinem Menschen sehen. Und ich bin dankbar, dass wir in einem Land leben, in dem es berufene Gerichte gibt. Lerne ich deshalb bei Alltäglichem und dann auch in extremen Situationen, vorsichtig zu urteilen? Eine solche Kultur der Vorsicht würde letztlich auch mir selbst guttun.
2. Jedes menschliche (Gerichts-) Urteil ist auch wieder menschlich begrenzt. Manchmal ist es meiner Meinung nach zu lasch, manchmal zu hart. Mir hilft es, dass ich weiß: Es wird einmal gerecht geurteilt werden. Ich vertraue darauf, dass Jesus Christus ein Urteil fällen wird und Konsequenzen aufzeigt. Im Gegensatz zu mir kann Gott in Herzen sehen. Er behält den Überblick über alle Zusammenhänge. Niemand kann sich vor ihm verstecken. Auch ich nicht. Und ich glaube, dass dort, wo Gott urteilt, tatsächlich Gerechtigkeit und Frieden folgen. Diese Hoffnung gilt mir. Und sie gilt jedem Menschen, der sich dem Urteil Jesu Christi unterstellt.
Pfarrer Tobias Frauenlob